Malaria in der Schwangerschaft: Mögliche Ursache für Stoffwechselstörungen bei den Nachkommen

Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)

Eine Pressemitteilung aus der Leibniz-Gemeinschaft

04.09.2017

Malaria in der Schwangerschaft: Mögliche Ursache für Stoffwechselstörungen bei den Nachkommen

Potsdam-Rehbrücke – Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Malaria in der Schwangerschaft und dem späteren Auftreten von Stoffwechselstörungen bei den Nachkommen. Hierzu zählen ein gestörter Zuckerstoffwechsel und Bluthochdruck. Das ist das Ergebnis einer im Jahr 2000 gestarteten Gesundheitsstudie in Ghana/Westafrika, an der 155 Mutter-Kind-Paare teilgenommen haben.

Das internationale Wissenschaftlerteam um Ina Danquah vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE), zu dem auch Forscher der ghanaischen Kwame Nkrumah University of Science and Technology und der Charité – Universitätsmedizin Berlin gehören, veröffentlichte seine Resultate nun in der Fachzeitschrift Journal of Infection (G. Bedu-Addo et al., 2017; DOI: 10.1016/j.jinf.2017.08.010).

In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara hat die Zahl der Menschen deutlich zugenommen, die von nicht-übertragbaren Stoffwechselerkrankungen betroffen sind. So sind allein in Ghana etwa 10 Prozent der Erwachsenen an einem Typ-2-Diabetes erkrankt, 20 Prozent sind krankhaft übergewichtig und 41 Prozent leiden unter zu hohem Blutdruck. Gleichzeitig sind viele Ghanaer von Malaria betroffen. Diese von Mücken übertragene Infektionskrankheit führt besonders bei Kleinkindern zu lebensbedrohlichen Zuständen. In Gebieten, in denen Malaria besonders stark verbreitet ist, verläuft die Erkrankung jedoch bei vielen Schwangeren ohne auffällige Symptome. Sie geht aber häufig mit einer Blutarmut der Mütter, Entzündungen des Mutterkuchens (Plazenta) und einer gestörten Entwicklung des ungeborenen Kindes einher. Als Resultat sind die Neugeborenen oft untergewichtig und kommen zu früh zur Welt.

„Dass eine Nährstoffunterversorgung ungeborener Kinder deren Stoffwechselgesundheit im Erwachsenenalter negativ beeinflussen kann, wissen wir spätestens seitdem die Auswirkungen des Holländischen Hungerwinters 1944/45 auf die Folgegeneration wissenschaftlich untersucht wurden“, sagt Studienleiterin Danquah. „Malaria kann während der Schwangerschaft ebenso wie großer Hunger zu einer Unterversorgung des Fötus führen. Daher fanden wir es naheliegend, dass auch hier eine Verbindung zwischen dem Gesundheitszustand der Mütter und später auftretenden Stoffwechselerkrankungen der Kinder bestehen könnte“, so die Wissenschaftlerin weiter. Obwohl in Westafrika Malaria, Typ-2-Diabetes und Bluthochdruck weit verbreitet sind, sind nach Angaben der Forscher mögliche Zusammenhänge zwischen dem Auftreten dieser Krankheiten nur unzureichend untersucht.

Um mehr über diese Zusammenhänge zu erfahren, werteten die Wissenschaftler die medizinischen Daten von 155-Mutter-Kind-Paaren aus, die an der Gesundheitsstudie im ländlichen Ghana teilgenommen hatten. Die Daten waren kurz nach der Entbindung von den Müttern und Neugeborenen sowie 15 Jahre später von den Teenagern erhoben worden. Zum Zeitpunkt der Entbindung waren 45 Prozent der Mütter mit Malaria infiziert. 82 der Kinder waren männlich und 73 weiblich.

Die Auswertung der Daten belegt einen direkten Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Malaria während der Schwangerschaft und einen um durchschnittlich 0,20 mmol/L erhöhten Nüchtern-Blutzuckerwert der Nachkommen im Teenageralter. Die systolischen bzw. diastolischen Blutdruckwerte der Jugendlichen, deren Mütter zur Zeit der Geburt infiziert waren, überstiegen die Werte der anderen Kinder um durchschnittlich 5,4 bzw. 3,7 mmHg. Die beobachteten Beziehungen waren dabei unabhängig vom Alter der Mutter bei der Entbindung, der Anzahl vorangegangener Schwangerschaften sowie dem familiären sozioökonomischen Status. Die Schwangerschaftsdauer, das Geburtsgewicht der Kinder oder der Body-Mass-Index der Jugendlichen beeinflussten die beobachteten Zusammenhänge nur unwesentlich.

„Die Gesundheitssysteme in Ghana sind durch das gleichzeitige, massive Auftreten übertragbarer und nicht-übertragbarer Erkrankungen doppelt belastet. Allein durch die bestehenden tropischen Infektionskrankheiten und die dort vorherrschende Mangelernährung geraten sie schon jetzt an ihre Kapazitätsgrenzen“, weiß Danquah, die aufgrund ihrer Forschungsarbeit immer wieder in der ländlichen Kleinstadt Agogo zu Gast ist.

Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler sind sich einig, dass auch wenn die Studie relativ klein ist, sie doch deutliche Zusammenhänge erkennen lässt. Nach ihren Angaben lieferten ihre Ergebnisse schon heute ein weiteres Argument dafür, die Malariaprävention und -therapie zu verstärken, um auch den in der Bevölkerung immer häufiger auftretenden Diabetes- und Bluthochdruckerkrankungen zu begegnen. Zukünftig seien natürlich weitere und umfassendere Studien notwendig. Diese sollten auch molekulare Untersuchungen einschließen, um den biochemischen Mechanismen auf die Spur zu kommen, die die Krankheiten miteinander verbinden.

Quelle: George Bedu-Addo, Marie Alicke, Justice K. Boakye-Appiah, Inusah Abdul-Jalil, Markus van der Giet, Matthias B. Schulze, Frank P. Mockenhaupt, Ina Danquah: In utero exposure to malaria is associated with metabolic traits in adolescence: The Agogo 2000 birth cohort study,Journal of Infection 75, Published online: August 26, 2017.

Hintergrundinformation:

Nach Angaben der World Health Organization (WHO) sind in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara etwa ein Viertel der Todesfälle auf nicht-übertragbare Krankheiten wie Typ-2-Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen (Quelle: World Health Organization. Global status report on noncommunicable diseases 2010. Geneva: World Health Organization, 2011). Nach Aussage der International Diabetes Federation wird sich die Zahl der Menschen, die in dieser Region von Diabetes betroffen sind, bis zum Jahr 2035 von 20 Millionen auf 42 Millionen mehr als verdoppelt haben (International Diabetes Federation. IDF diabetes atlas. 6th ed. Brussels (Belgium): International Diabetes Federation; 2013).

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).

Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 91 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.600 Personen, darunter 9.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,7 Milliarden Euro.

Kontakt:

Dr. Ina Danquah
Abteilung Molekulare Epidemiologie
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal/Deutschland
Tel.: +49 33200 88-2453
E-Mail: ina.danquah@dife.de

Pressekontakt:

Dr. Gisela Olias
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Tel.: +49 33200 88-2278/-2335
E-Mail: olias@dife.de
oder presse@dife.de
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