Warum hat man einen Blindarm? [Samuel, 8]

Das ist gar nicht so einfach zu erklären, weil der Name „Blinddarm“ irgendwie gar nicht richtig stimmt und zu Verwirrungen führt.
Auf jeden Fall ist es so: Der Dünndarm mündet an einer bestimmten Stelle im rechten Unterbauch in den Dickdarm. Diese Mündung liegt aber nicht genau am Anfang des Dickdarms, sondern einige Zentimeter höher in Richtung After. Das heißt, daß der Dünndarm seitlich und nicht am Ende in den Dickdarm mündet. Der unter der Einmündung liegende Dickdarmanteil wird Blinddarm (lateinisch Caecum) genannt. Er ist bei Erwachsenen etwa 7 cm lang, bei Kindern natürlich kürzer. Im Blinddarm befinden sich Milliarden von Bakterien, die noch nicht vom Dünndarm verdaute Nahrungsbestandteile zersetzen und für den Menschen nutzbar machen. Dabei entstehen wichtige oder auch nicht so wichtige Stoffwechselprodukte (z.B. Fettsäuren, Vitamine und auch Darmgase).
Und jetzt wird es ganz kompliziert: An das Ende dieses Blinddarms schließt sich der Wurmfortsatz (lateinisch Appendix) an. Dieser kleine Darmanteil enthält viele Abwehrzellen und ist damit ganz wichtig für die Abwehr von Krankheitserregern. Aufgrund seiner aktiven Abwehrfunktion kann sich der Wurmfortsatz relativ leicht entzünden, z.B. durch Bakterien. Das nennt man dann „Blinddarmentzündung“ (lateinisch Appendizitis). Wer aufmerksam gelesen hat, weiß, daß diese Bezeichnung nicht richtig ist, da der eigentliche Blinddarm gar nicht entzündet ist, sondern nur sein Fortsatz, der aussieht wie ein Wurm (= Wurmfortsatz).
Bei Kindern kommt eine Appendizitis relativ häufig vor und führt meist zu einer Entfernung des Wurmfortsatzes durch eine kleine Operation. Im Volksmund nennt man diese Entzündung fälschlich Blinddarmentzündung. Um es nochmals klarzustellen: Entzündet ist nicht der Blinddarm (Caecum), sondern die Appendix, der Wurmfortsatz.
Alles klar?


Chefarzt Prof. Dr. med. Michael Radke arbeitet in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam.