Ein Stern auf Durchreise

21. Juli 2015. Andrea Kunder, Wissenschaftlerin am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP), hat mit ihrem Team die Geschwindigkeiten von rund 100 RR Lyrae Sternen* im Zentrum unserer Milchstraße untersucht und dabei völlig unerwartet einen Stern entdeckt, dessen Geschwindigkeit fast 500 km/s beträgt. Da alle RR Lyrae Sterne pulsieren und die gleiche Leuchtkraft haben, konnte das Team sowohl die exakte Entfernung als auch den Orbit des Sterns für die letzten eine Milliarde Jahre rekonstruieren. Das Ergebnis fällt klar aus: mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei dem Stern um einen Passanten aus dem Außenbereich unserer Milchstraße, dem sogenannten „Halo“, der aktuell durch den Zentralbereich, den Bulge, hindurchrast.

„Der Stern mit dem Katalognamen MACHO 176.18833.411 hat die höchste Geschwindigkeit, die wir je bei einem RR Lyrae Stern im Bulge messen konnten. Mit einer Geschwindigkeit von 482 km/s bewegt er sich knapp unterhalb der Fluchtgeschwindigkeit, die ihn aus der Galaxie hinaus schleudern würde”, so Andrea Kunder. Sterne mit so hoher Geschwindigkeit sind sehr selten nahe des galaktischen Zentralbereichs zu finden. Da es sich bei dem jetzt entdeckten Stern um einen RR Lyrae Vertreter handelt war es den Wissenschaftlern möglich, seinen Orbit detailliert zu berechnen. Sie fanden dabei heraus, dass die Bahnbewegung des Sterns nicht auf den Bulge begrenzt ist, sondern sich bis weit in die Außenbereiche, dem Halo der Milchstraße, erstreckt.

Dank dieser Entdeckung wird es zukünftig einfacher werden, alte Bulge-Sterne von solchen in anderen Regionen der Milchstraße zu unterscheiden. Auch im Bulge muss damit gerechnet werden, Sterne aus den Außenbereichen zu finden. Solche durchziehenden Sterne könnten fälschlicherweise für ursprüngliche Bulge-Sterne gehalten werden. Dass der jetzt entdeckte Stern ein Einzelfall ist, gilt als äußerst unwahrscheinlich.

*RR Lyrae Sterne sind variable Sterne, die in der Astronomie als sogenannte „Standardkerzen“ dienen mit denen galaktische Entfernungen gemessen werden können. Der erste dieser Sterne wurde in der Sternenkonstellation „Leier“ (griechisch: Lyra) entdeckt. Bis heute wurden über 38.000 RR Lyrae Sterne identifiziert.

Wissenschaftlicher Kontakt: Dr. Andrea Kunder, 0331 7499 646, akunder@aip.de

Pressekontakt: Kerstin Mork, 0331-7499 803, presse@aip.de

Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) widmet sich astrophysikalischen Fragen, die von der Untersuchung unserer Sonne bis zur Entwicklung des Kosmos reichen. Forschungsschwerpunkte sind dabei kosmische Magnetfelder und extragalaktische Astrophysik sowie die Entwicklung von Forschungstechnologien in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Seinen Forschungsauftrag führt das AIP im Rahmen zahlreicher nationaler, europäischer und internationaler Kooperationen aus. Das Institut ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam, das sich als erstes Institut weltweit ausdrücklich der Astrophysik widmete. Seit 1992 ist das AIP Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.

Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP)

Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) widmet sich astrophysikalischen Fragen, die von der Untersuchung unserer Sonne bis zur Entwicklung des Kosmos reichen. Forschungsschwerpunkte sind …